Kashmir

Dülmener Wildpferdefang

Zum Ersten zum Zweiten und zum Dritten - für 250,-- EURO, ja - der freundliche Herr da vorne - und bitte nehmen Sie ihn gleich mit!

Das Ende der Auktion in Dülmen im Mai 2005. Die schönsten Hengste haben wir uns angesehen. Der Wildling Nummer 12. Der Hengst steigt - und da glüht etwas im Auge.  Ein Feuer in diesem kleinen grauen Eselchen, wie es in jedem Andalusier glüht.... .

Eigentlich hatten wir nur einen Besuch bei Freunden in Coesfeld geplant. Mit dem Radl sind wir zur Arena im Mehrfelder Bruch unterwegs gewesen. Und alle haben gefrotzelt: die Hannah kommt mit einem Jährlingshengst zurück. Das war ein Spektakel, die große Arena, die 350 Pferde sind herein gebrettert und ein Wiehern von Stuten, Fohlen und Jährlingen. Mit gemischten Gefühlen haben wir das Treiben beobachtet. Leicht ist diese Situation keinesfalls, weder für die Tiere noch für die Fänger. Nachdem alle Jährlingshengste eingefangen waren wurden sie Versteigert.

Mich interessierte es, wie es wohl möglich sei, diese rohen Jährlinge an der Hand vorzustellen. Am Gatter angekommen, fragte mich mein Mann Markus ob ich diesen 1. Wildhengst haben möchte. 'Ich steiger ihn Dir, wenn Du ihn möchtest'. Nein, die sind doch viel zu klein.

Das 2., 3., 4.  Pony kam unter den Hammer, und mein Mann immer wieder mit der gleichen Frage: 'willste den?' Nein!  ausserdem- sind die gesund? Man muss sie ja nehmen, wie von weitem nur besehen. Und, wer weiß, was das bedeutet, einen wilden Jährlingshengst aufzuziehen?!  

Nein, so sah mein Plan nicht aus. Ich wollte kein Pony, lieber ein Leutstettner, das war mein Wunsch. Temperamentvoll, rassig und fein. Mein Mann war enttäuscht und verärgert und verließ mich mit den Worten: 'Dann eben nicht. Ich hätte Dir jetzt einen süßen kleinen Hengst gesteigert. Aber frag mich nie wieder!'

Ich war tatsächlich erleichtert. Bis ich plötzlich abgelenkt wurde. Da kam Wildling Nummer 12. Fasziniert hat er mich in seinen Bann gezogen, so dass ich nicht mitbekam, dass ... und da hieß es: der Wildling Nr. 12 geht an den netten Herrn hier vorne. Der Auktionator zeigte auf mich. Hm, mit meinen langen Haaren – ich bin doch kein Mann. Rechts und links neben mir auch nur Frauen. Ich drehe mich um und sehe in das breite Grinsen meines Mannes. Ein Grinsen bis zu den Ohrwascheln. 'Herzlichen Glückwunsch und bitte bezahlen sie ihn gleich hier.'

Was ist das! Ich schlug meine Hände an meine Wangen. Tausend Gedanken sausen durch meinen Kopf. Und dann, so viel Geld haben wir gar nicht dabei. Geplant waren ne Wurstsemmel und ein Eis.

Da stehen wir nun ...

Wir sind stolze Besitzer eines echten Wildpferdhengstes aus Dülmen. In freier Wildbahn geboren, ohne Tierarzt aufgewachsen, ein Jahr alt. Es war nicht geplant, so sind wir also spontan zu einem echten Wildfang gekommen.

'Holen sie ihn bitte gleich ab'. Und jetzt? Mein Mann findet immer Lösungen, er spricht die Försterin an und sie hilft gerne weiter.
Wir haben einen Unterstellplatz, ein Bauer aus der Gegend stellt ein, für 10,-- EURO am Tag ;-).

Jetzt geht die Planung los. Aufgeregt organisieren wir einen Stall, einen Hänger, ein Zugfahrzeug und einen Fahrer.

Das mit der Stallsuche war nicht einfach. Schnell wurde ich von den meisten Stallbetreibern abgewimmelt. Keiner von uns wußte, was da auf uns zu kommt. Ein Jährlingshengst, wild aufgewachsen, der kaum Menschen und keinen Stall kennt. Fremd und eine Woche ohne Bewegung. Aber es gibt sie Gott sei Dank doch noch. Menschen, die etwas anders machen als die Masse. Individualisten und das waren Moni und Sepp. 'So eine Erfahrung kann man nicht alle Tage machen' und so stellen sie uns eine Box zur Verfügung.

5 Tage später fuhr ich wieder nach Norddeutschland. Von den 10 Ponys, welche der Bauer zusammen in 3 große Boxen untergebracht hatte war meines inzwischen das letzte. Verschüchtert stand er in der hintersten Ecke. Ich hatte noch Zeit, bis der Pferdehänger da war und diese Zeit habe ich genutzt. Wozu? Eigentlich um gar nichts zu machen. Ich öffnete das Boxentor und setzte mich mit dem Rücken zu ihm hin und wartete. Schnell wurde der Kleine neugierig. Was ist das? Und schon schnupperte er an meinem Rücken. Es dauerte nicht lange und er schlief mit seinem Kopf in meinen Händen ein. Ein Erlebnis, ein Gefühl das ich nie mehr vergessen werde. Innerhalb so kurzer Zeit hatte ich eine Verbindung zu diesem kleinen 'Eselchen' aufgebaut, dass er mir dann einfach in den Hänger nachgelaufen ist. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was diese Erlebnisse in diesem jungen Pferd ausgelöst haben.

Und ab geht die Post von Dülmen nach Bayern.

Die Fahrt war absolut unproblematisch. Ebenso das Ausladen. Er ist die Anhöhe hinauf in den Stall einfach so mitgelaufen. Und dort haben ihn die Pferde wiehernd begrüßt.

Nach der nötigen Eingewöhnung in der ungewohnten Box, sind wir uns schnell näher gekommen. Er hat das Einfangen aus der Herde mit all seinen Konsequenzen gut weggesteckt, und Vertrauen zu mir aufgebaut. So konnten wir bald in einen Offenstall – Hengstaufzucht wechseln.

Im Offenstall fühlt sich der Monsieur wohl, Fressen, Kumpels, ein Platz im Stroh und Mäxchen, ein Frühreifer aus Bayern, mit Hufen so groß wie Bratpfannen, als Engel im Hintergrund.

Kashmir kennt nur Neugier, Zuneigung und einen uneingeschränkten Drang zur Chefposition, die er mit Intelligenz und unbeugsamen Willen vor den anderen Herdenmitgliedern verteidigt. Zu unserem Erstaunen kauft er den größten Pferden den Schneid ab und auch andere Hengste scheinen von seinen Führungsqualitäten überzeugt. Kashmir ist nun der neue Chef im Stall.

Mit 5 Jahren hat er dann seine Männlichkeit, sprich Einzelhaft, verloren. Im Kopf ist er aber weiterhin Hengst geblieben. Bei der Arbeit mit ihm sind Gerechtigkeit und Verständnis selbstverständlich weiterhin oberstes Gebot. 

Kashmir hat alles im Griff. Auch im neuen Stall rufen die Stuten und die Wallache wiehern. Kashmir bietet Treue und fordert die Chefposition, die er innerhalb weniger Stunden in der 20 köpfigen Herde  sehr pfiffig erobert. Eine neue harte Aufgabe, die er sehr ernst nimmt. Was er nicht leiden kann sind Zäune. Er findet jedes Loch. Es ist halt so langweilig und wenn die Mädels rufen ...Und natürlich ist er der Liebling in der Stutenherde. Kashmir hat die 1,46 überschritten und ist für einen Dülmener ein Riese. Er wird aber auch gut  gepflegt.

Bin ich zu stark, bist Du zu schwach ;-)

Kashmir macht uns klar deutlich - wer Chef sein will, muss sich auch so benehmen. Und ein Chef ist konsequent und kompetent, willensstark und mutig. Trotzdem ist er verspielt, sanftmütig und verschmust. Wer aber nie fehlen darf ist 175 cm groß und über 600 Kg schwer ... .
          

Wenn er galoppiert bebt die Halle und spritzt der Boden.